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März 2011

Radiohead
The King Of Limbs



Download | 18.02.2011
CD | 28.03.2011
Newspaper Album | 09.05.2011

Mit dem König der Gliedmaßen ist nicht zu spaßen.
Im Gegenteil, dieser verhuschte achtbeinige Kerl beweist kaum Humor. Aber gut: Wann waren Radiohead eigentlich jemals zum Spaß hier?

Besonders die erste Hälfte der neuen "Single" ("Albumlänge" beginnt bei mir ab 40 Minuten) verursacht durch hektisches Gefrickel und Gezappel ohne Mühe zunächst schon mal einen handfesten Synapsenfasching.

Der seit langem gewöhnungsbedürftigste Opener "Bloom" stolpert zunächst etwas ziellos in der Gegend herum, droht zu straucheln und wird am Ende nur durch das Geländer des warmen Baßlaufes halbwegs in der Bahn gehalten. Anschließend hampelt das sperrige "Morning Mr. Magpie" vorbei, eingefleischten Anhängern sicher bereits durch einen Webcast im Jahre 2002 bekannt. Nach anfänglicher Skepsis und mehreren (angestrengten) Durchläufen entwickelt es bei mir mittlerweile bereits zaghafte Ohrwurmqualitäten. Es folgt das melodiös ansonsten recht nette "Little By Little", welches aber leider erneut von einem derart klackernden und scheppernden Percussion-Gewitter behagelt wird, daß man langsam Angst bekommt, das Ganze könnte jetzt bis zum Ende so weiter gehen.

Hilfe! Was passiert hier?

Schließlich kocht nun auch noch "Feral" eine ähnliche Suppe, läßt dabei jedoch die (bisher schon spärlich benutzten) melodiösen Zutaten gleich mal komplett im Vorratsschrank und rührt stattdessen liebr zwei Handvoll psychoaktiver Substanzen unter. Guten Appetit! Noch jemand eine Kopfschmerztablet-t-t-t-t-t-e?

Puh.

"Lotus Flower" leitet dann endlich die entspanntere zweite Hälfte ein und ist mit seiner vergleichsweise simplen Struktur quasi bereits der automatische "Hit" der neuen Scheibe. Im Anschluß daran hat der König dann mit „Codex“ seinen emotionalsten Moment und beschert mir damit doch noch ein Lieblingsstück. Von der Grundstimmung zunächst sofort an "Pyramid Song" erinnernd, erreicht er zwar nicht dessen unsägliche Abgrundtiefe, treibt mir jedoch, in der entsprechenden Lautstärke und Stimmung goutiert, mit seinen Arrangements aus Bläsern, Streichern und jeder Menge Hall die ersten echten bittersüßen Freudentränen ins Auge. Beim ersten Durchlauf von "In Rainbows" hat das allerdings ganz klar nicht bis zum 6. Track gedauert...

Der "Ausklang", bestehend aus "Give Up The Ghost" und "Separator" ist schließlich zwar durchaus nett, plätschert für meine Begriffe aber zu belanglos dahin, wie zuletzt z.B. "House Of Cards" oder "4 Minute Warning".

Und „Puff“: schon sind 37 Minuten vorbei. Von Euphorie leider kaum eine Spur.

Ganz ehrlich: mit ihrem Hang zu vertrackten Rhythmen und dem fast vollständigen Fehlen von Gitarren, hätte ich die Scheibe weitaus besser "verkraftet", wenn sie als zweiter Soloausflug Thom Yorkes erschienen wäre, zumal auch noch drei der Stücke vorab nicht durch Radiohead sondern durch Yorkes Zweitband "Atoms For Peace" bzw. einen Soloauftritt in Cambridge erstmals live präsentiert wurden. Nach einem "vollwertigen" Radiohead-Album klingt „The King Of Limbs“ für mich jedenfalls auch nach dem 10. Durchlauf nicht. Da fehlt einfach zu viel. Ideen. Abwechslung. Melodien. Großtaten wie "Paranoid Android", "Let Down" oder "Fake Plastic Trees" sucht der geneigte Anhänger hier vergeblich.

Viele hoffen jetzt auf die "Newspaper Edition" des Albums, die im Mai erscheinen und weitere Tonträger enthalten soll, über deren Inhalt aber bislang noch nichts bekannt ist. Ich bin sehr skeptisch und halte die Platte eher für eine zwischenzeitliche Bestandsaufnahme, zu der wohl zunächst erst einmal nichts mehr hinzugefügt werden wird. Es ist noch nicht so lange her, da hoeß es in Interviews noch, die Band wolle gar keine Alben mehr veröffentlichen, um dem Druck zu entgehen und stattdessen nur Singles veröffentlichen, sobald neue Songs fertig sind. Diese erste Single der neuen Ära ist (für Radiohead-Verhältnisse und angesichts der Arbeitszeit von 3 Jahren) leider recht schwach ausgefallen - kein Wunder, wenn man die Meßlatte so hoch hängt, daß sie hinter dem Regenbogen verschwindet...